bkp Legal News
Wien, im Mai 2017
Lockerung des Kündigungsschutzes für 50plus Dienstnehmer durch Gesetzesänderung?
Einleitung. Mittlerweile eingehend bekannt ist der Umstand, dass Dienstnehmer oder – an deren Stelle - ein allenfalls im Betrieb bestehender Betriebsrat eine vom Dienstgeber gegenüber dem Dienstnehmer ausgesprochene Kündigung binnen verschiedener im Arbeitsverfassungsgesetz geregelten Frist gerichtlich anfechten können.   

Anfechtungstatbestände. Nach den Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes sind hier zwei Tatbestände für eine solche Anfechtung denkbar: Die (hier nicht weiter behandelte) Motivkündigung sowie die sogenannte, nachfolgend näher erklärte Sozialwidrigkeit. Sozialwidrigkeit im Sinne des Gesetzes liegt vor, wenn die Kündigung sozial ungerechtfertigt (Indizien hierfür sind etwa schlechte Arbeitsmarktchancen, drohende und lang andauernde Arbeitslosigkeit; spürbare Einkommensverluste) und der gekündigte Dienstnehmer bereits 6 Monate im Betrieb des Dienstgebers beschäftigt ist. Kommt das Gericht (meist erst nach Einholung eines berufskundigen Sachverständigengutachtens) nach erfolgter Prüfung zum Ergebnis, dass Sozialwidrigkeit vorliegt, bedeutet das aber noch nicht, dass die Anfechtung der Kündigung auch erfolgreich sein muss: Vielmehr kann der Dienstgeber sich dann immer noch freibewiesen, indem er nachweist, dass - trotz Sozialwidrigkeit - die Kündigung rechtfertigende Umstände bestehen, die in der Person des Dienstnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren. Gelingt dem Dienstgeber dieser Nachweis, wird eine Kündigungsanfechtung trotz bestehender Sozialwidrigkeit nicht erfolgreich sein.  
 
Sonderregelung. Bei vergleichsweise älteren Dienstnehmern sind jedoch bei der Prüfung der oben näher erklärten Sozialwidrigkeit einerseits der Umstand einer vieljährigen ununterbrochenen Beschäftigungszeit im Betrieb (dies ist in der Praxis so etwa ab 10 bis 15 Jahren der Fall) sowie andererseits die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung des älteren Dienstnehmer in den Arbeitsprozess besonders zu berücksichtigen. Bislang galt dieser besondere Schutz nur für jene Dienstnehmer, die im Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet hatten und seit mindestens 2 Jahren im Betrieb beschäftigt waren. Dies führte in der Praxis oftmals dazu, dass 50plus Dienstnehmer aufgrund der im Vergleich geringeren Kündigungsmöglichkeiten nur sehr ungern von Dienstgebern eingestellt oder – wenn doch - vor Ablauf der im Gesetz normierten 2 Jahresfrist wieder gekündigt wurden.  
 
Neuregelung. Um demnach die dauernde Wiedereingliederung dieser vergleichsweise älteren Dienstnehmern in den Arbeitsmarkt zu gewährleisten, wurde nun mittels Bundesgesetzblatt BGBl I 2017/37 von der Bundesregierung die relevante Bestimmung des Arbeitsverfassungsgesetzes derart abgeändert, dass für alle ab dem 01.07.2017 neu begründete Dienstverhältnisse (für bestehende Dienstverhältnisse ändert sich hingegen nichts) mit Dienstnehmern, die zum Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr bereits vollendet haben, nunmehr der zuvor erwähnte besondere Kündigungsschutz nicht (mehr) zum Tragen kommt (“Dies gilt nicht für Dienstnehmer, die zum Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet haben.“). Stellt also ein Dienstgeber mit Wirkung zum Juli 2017 einen zumindest 50 Jahre alten Dienstnehmer neu ein, so genießt dieser – im Vergleich zu früher - keinen besonderen Kündigungsschutz mehr aufgrund seines (relativ hohen) Alters (und zwar selbst nach Ablauf der früher geltenden 2-jährigen Beschäftigungsfrist). Vielmehr wird sein Kündigungsschutz an jenen von jüngeren Dienstnehmern (demnach Dienstnehmer unter 50 Jahre) angeglichen und bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit folglich “nur“ noch jener Prüfungsmaßstab herangezogen, der auch für jüngere Dienstnehmer gilt.
 
Gleichbehandlungsgesetz. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass, ungeachtet der oben näher bezeichneten Lockerung des Kündigungsschutzes nach den Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes ein Dienstnehmer nach dem Gleichbehandlungsgesetz nach wie vor weder unmittelbar, noch mittelbar bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund seines (hohen oder auch niedrigen) Alters diskriminiert werden darf. Ist das (unzulässige) Motiv der Kündigung des Dienstnehmers demnach etwa das (vergleichbar hohe) Alter des Dienstnehmers, ist dieser ältere Dienstnehmer ungeachtet der oben näher beschriebenen erfolgten Lockerung immer noch aus dem Gleichbehandlungsgesetz heraus berechtigt, die erfolgte Kündigung bei Gericht anzufechten, auf Feststellung des unbefristeten Bestehens des Dienstverhältnisses  oder - wenn der Dienstnehmer die Beendigung gegen sich trotz Verletzung des Gleichbehandlungsgesetzes gelten lässt - auf Schadenersatz und Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung zu klagen.
 
Ausblick. Mit der Änderung des Arbeitsverfassungsrechtes wurde ein erster Schritt in die Richtung gegangen, die derzeit beschäftigungslosen 50plus Dienstnehmer wieder besser in den bestehenden Arbeitsmarkt zu integrieren. Da jedoch diese Neuregelung für (die unzähligen) bestehenden bzw. aufrechten Dienstverhältnisse nicht gilt und auch die (unverändert gebliebenen) Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes nach wie vor altersbedingte Schutzbestimmungen enthalten, sollte der Dienstgeber bei der Eingehung und der Beendigung von Dienstverhältnissen mit (vergleichsweise) älteren Dienstnehmern – trotz der erfolgten gesetzlichen Erleichterungen - nach wie vor die nötige Vorsicht und Abwägung an den Tag legen, um nicht einen langwierigen Anfechtungsprozess zu riskieren.     
 

Philipp Gamauf



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